Im Digital Insurance Podcast von Jonas Piela sprechen Pavel Berkovitch (Vorstand für Digitalisierung und Produktmanagement) und Jan-Peter Diercks (Vorstand für Vertrieb und Marketing) der Landeskrankenhilfe (LKH) über die umfassende digitale Transformation des Unternehmens. Drei Jahre nach der Entscheidung für eine Standardsoftware ziehen die beiden Vorstände Bilanz: Wie hat sich die Modernisierung der IT-Landschaft ausgezahlt? Welche Quick Wins gab es? Und wie profitiert der Vermittler von der neuen Technologie?
Transformation ist ein Marathon
Die LKH ist ein 99 Jahre alter privater Krankenversicherer und steckt mitten im digitalen Umbruch. "Digitale Transformation ist kein Sprint, sondern ein Marathon", macht Pavel Berkovitch gleich zu Beginn klar. Die LKH modernisiert nicht nur ihr Bestandsführungssystem, sondern die komplette IT-Landschaft. Von Antrags- und Vertragsmanagement über Leistungsabrechnung bis hin zu Kunden- und Vermittlerportalen wird alles neu aufgesetzt.
Die Entscheidung für Standardsoftware war bewusst gewählt. Berkovitch erklärt die Entscheidung: "Wir profitieren sehr stark von der Standardsoftware, wenn wir ein Teil der Versicherungsunternehmen sind, die die gleiche Software nutzen." Statt jahrzehntelang eine Eigenentwicklung zu pflegen, setzt die LKH auf die Kraft eines Ökosystems, das sich kontinuierlich weiterentwickelt.
Schnelle Gewinne statt jahrelanger Entwicklung
Auch wenn es ein Marathon ist, legt die LKH einige Sprints auf der Strecke ein. Berkovitch betont: "Wir wollen diese Erfolgsmomente darstellen und nicht fünf Jahre lang eine Bestandsmigration durchführen, bei der die Kollegen den Erfolg während des Projektes nicht sehen."
Die Strategie geht auf. Innerhalb kürzester Zeit konnte die LKH wichtige Meilensteine erreichen: Das neue Geschäftsfeld betriebliche Krankenversicherung wurde komplett auf der neuen Plattform aufgesetzt und nach sechs Monaten folgte bereits ein weiteres bKV-Produkt. Erste Zusatzversicherungen werden bereits dunkel und ohne manuelle Dateneingabe verarbeitet. Die Schnittstellen zu Vergleichsportalen und MVP-Systemen für moderne Maklerprozesse sind live.
Jan-Peter Diercks, der vor zwei Jahren als neuer Vertriebsvorstand zur LKH kam, erinnert sich an seine ersten Tage: "Als ich hier angefangen habe und die ersten Fragen gestellt habe, mit welchen Geschäftspartnern wir eigentlich Umsatz schreiben und wie viel, konnten viele dieser Fragen nicht beantwortet werden." Die in die Jahre gekommene Technik sah derartige Auswertungen nicht vor.
Von Satellitensystemen zur integrierten Lösung
Diercks macht einen Punkt deutlich: Viele Versicherer haben über Jahre kontinuierlich investiert, allerdings nur in kleinen Schritten. Das Ergebnis? "Die haben heute 17 verschiedene Systeme im Einsatz. Wenn man sich mal anguckt, wie viele Systeme ein Mitarbeiter im Kundenservice bedienen muss, um eine durchschnittle Frage eines Kunden beantworten zu können, dann bräuchte der eigentlich so viele Hände wie eine Krake Arme hat."
Die LKH hingegen hatte den Vorteil eines gewachsenen Kernsystems, das nun auf neuer Technik aufgesetzt wird. "Wir werden in den nächsten ein, zwei Jahren einen technischen Stand haben, um den uns andere Versicherer beneiden werden", prognostiziert Diercks selbstbewusst.
Eigenkapital als Investitionsbasis
Die LKH profitiert von einer besonderen Situation: Als Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit mit starkem Eigenkapital kann das Unternehmen gezielt in die Zukunft investieren. Berkovitch: "Man kommt aus einer Zeit, in der man vor 20 Jahren zu den führenden Versicherungsunternehmen Deutschlands gehörte. Anschließend folgte eine Zeit des Investitionsstaus."
Diesen Stau holt die LKH nun auf. Aber die Lehre ist klar: Es darf nicht alle 20 Jahre zu so einem Kraftakt kommen. "Eine Transformation ist nie zu Ende. Das ist ein laufender Prozess", so Berkovitch. Die LKH legt mit der aktuellen Transformation die operative Basis, um künftig kontinuierlich investieren und am Puls der Zeit bleiben zu können.
Ein wunschlos glücklicher Vertrieb?
Auf die Frage nach seinen größten Wünschen an die IT überrascht Diercks: "Alle großen Wünsche sind in dieser Transformation adressiert. Wenn wir die einfach in dem Tempo weitergehen und alles fertigstellen, dann sind alle großen Überschriften abgedeckt."
Die neue Technik ermöglicht es, auch kleinere Anpassungswünsche deutlich schneller umzusetzen als früher. Besonders stolz ist Diercks auf die Rückmeldungen aus dem Markt: "Welcher Versicherer kann Mitte 2025 mit Fug und Recht behaupten, über ein Vermittlerportal, ein Kundenportal und eine Kunden-App zu verfügen, die innerhalb der letzten zwölf Monate nach dem neuesten Stand der Technik entwickelt wurden?"
Die zweite Halbzeit beginnt
In Fußballmetaphern gesprochen: "Wir sind in der zweiten Halbzeit", sagt Berkovitch. Die erste Phase mit Vertriebsunterstützung, Schnittstellen und Portalen ist geschafft. Nun geht es ans Eingemachte: Bestandsmigration und Umstellung weiterer Kernsysteme stehen an.
"In der ersten Phase haben wir Tore vorbereitet, jetzt müssen wir die Tore auch zum Abschluss bringen", ergänzt Berkovitch. Dabei muss die Organisation flexibel bleiben für neue regulatorische Anforderungen wie DORA oder die geplante Gebührenordnung für Ärzte.
Diercks fasst die Situation zusammen: "Es ist sehr lange, vielleicht sogar mehr als ein Jahrzehnt, sehr ruhig um die LKH geworden. Wenn man jedoch die Haustür öffnet und sich anschaut, wie es in diesem Haus aussieht und was es mittlerweile kann, dann können sich einige die Finger danach lecken."
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