Christian Parschik, Head of Digital Underwriting bei Markel Insurance SE, war zu Gast beim YouTalk Podcast von Ingolf Putzbach und Oliver Lang. Er sprach über digitale Herausforderungen bei Versicherern und Maklern, den praktischen Einsatz von KI im Underwriting und warum die Branche dringend einen Kulturwandel braucht.
Vom Allianz Vertreter zum Digital Underwriter

Christian Parschik
Markel Insurance SE
Christian Parschiks Weg in die Versicherungsbranche begann unkonventionell: Nach klassischer Ausbildung bei der Allianz und Stationen bei der Versicherungskammer Bayern, dem Münchner Verein und dem Startup Finanzchef24 landete er schließlich bei Markel Insurance SE. Der Spezialversicherer unterscheidet sich deutlich vom deutschen Markt: "Jeder hier in diesem Unternehmen denkt anders als bei den klassischen Versicherern", erklärt Parschik. Das zeigt sich besonders im Cybergeschäft, wo Markel mit nur acht Risikofragen Versicherungsschutz für Unternehmen bis 25 Millionen Euro Umsatz anbietet.
Markel: Qualität statt Quantität
Seit etwa zehn Jahren ist der amerikanische Spezialversicherer mit europäischem Hauptsitz in München am deutschen Markt aktiv. Der Fokus liegt klar auf Gewerberisiken: Cyber, D&O, Vermögensschaden und Haftpflicht für Berater, Medienagenturen und verkammerte Berufe. Die Besonderheit: extreme Selektivität gepaart mit schnellen Prozessen. Oliver Lang bestätigt aus Maklersicht: "Alle Interaktionen, die ich hatte, ihr seid sehr selektiv, aber in dem, was ihr selektiert habt, seid ihr sehr, sehr gut." Anders als klassische deutsche Versicherer mit ihrem Bauchladen-Ansatz konzentriert sich Markel auf klare Nischen und überzeugt dort mit Qualität statt Quantität.
Digitalisierung im Gewerbegeschäft: Langsamer als gedacht
Die Erwartungen an die digitale Revolution im Gewerbegeschäft haben sich nicht erfüllt. Parschik sieht das realistisch: "Wir werden nicht dieses starke Wachstum haben, wie es vor fünf Jahren prognostiziert worden ist." Dennoch beobachtet er einen stetigen Anstieg digitaler Abschlüsse, besonders bei kleineren Unternehmen bis 500.000 Euro Umsatz. Das Problem: Zu viele unterschiedliche Deckungskonzepte für verschiedene Branchen. Seine Lösung: Ein einheitliches Versicherungsbedingungswerk für alle Gewerbetreibenden als Grundstock, ergänzt durch branchenspezifische Bausteine. "Wir brauchen einen Versicherungsschutz, der für alle Gewerbetreibenden zutrifft", fordert er.
Die digitalen Plattformen und Vergleichsrechner haben sich im Laufe der Zeit verändert. Parschik nennt das Beispiel von Thinksurance, die sich erfolgreich vom Endkundengeschäft zur Technologieplattform entwickelt haben. Ein Unicorn im Gewerbebereich erwartet er jedoch nicht: "Ich glaube, dass es eher die kleineren Schritte sind."
KI im praktischen Einsatz: Vom Wikipedia bis zum Underwriting
Markel gehörte zu den ersten Versicherern, die nach dem Start von ChatGPT mit dem Startup Kern AI kooperierten. Der erste Use Case: Ein internes Wissens-Wiki, das alle öffentlich zugänglichen Unterlagen digitalisiert und durchsuchbar macht. "Das funktioniert sehr gut. Haben wir auch heute noch im Einsatz", berichtet Parschik. Nicht nur die Antwort wird vom System geliefert, sondern auch die exakte Fundstelle im Dokument.
Weitere Pilotprojekte laufen im Underwriting Bereich, wo KI öffentlich zugängliche Unternehmensdaten für Vorselektionen und Bewertungen nutzt. Für die vollständige Beratung sieht Parschik KI jedoch noch nicht bereit: "Ich glaube nicht, dass die künstliche Intelligenz in den nächsten fünf Jahren eine komplette Beratung übernehmen kann." Besonders bei komplexen Produkten wie BU, PKV oder Gewerbeversicherungen sei der menschliche Berater unverzichtbar. KI könne aber als "solider Helfer" und "guter Partner" fungieren, wie Tools wie Risk:ident zeigen, die Berater im Hintergrund unterstützen.
Die große KI-Ernüchterung und ihre Ursachen
Nach dem anfänglichen Hype um KI macht sich in der Branche Ernüchterung breit. Parschik sieht vor allem zwei Gründe: Regulatorik und Kultur. "Die Ernüchterung, die im Markt entsteht, ist einfach, glaube ich, aufgrund von der Regulatorik, die dann einen Strich durch die Rechnung macht", erklärt er. Besonders bei sensiblen Gesundheitsdaten seien die Sicherheitsanforderungen eine "große Spaßbremse".
Der zweite Faktor: Die Angst der Mitarbeiter vor Jobverlust. "Viele haben einfach die Befürchtung, ja okay, aber wenn ich jetzt die künstliche Intelligenz einsetze, dann ist ja in 15 Jahren mein Arbeitsplatz weg." Hier sieht Parschik die Führung in der Pflicht, klar zu kommunizieren, dass KI nicht zur Stellenstreichung, sondern zur Qualifizierung eingesetzt werden soll. Bei Markel wird die eingesparte Zeit genutzt, um mehr Zeit für Gespräche mit Maklern und Kunden zu investieren.
InsurTech Hubs: Noch erforderlich oder schon überflüssig?
Die Frage nach der Daseinsberechtigung der InsurTech Hubs trifft einen Nerv. Parschik verteidigt sie vehement: "Diese Hubs haben durchaus eine Berechtigung und diese Formate, davon bin ich überzeugt." Allerdings hätten sich die Formate stark verändert. Statt großer Accelerator-Programme mit 15 bis 20 Startups gehe es heute mehr um Technologie und Know-how Transfer.
Größere Versicherer stellen zunehmend die Frage, ob sie eigene Innovationseinheiten überhaupt noch brauchen. Parschik sieht das kritisch: "Wie soll denn der klassische IT-Leute wissen, was jetzt in der Krankenversicherung mit neuer Technologie im Underwriting helfen könnte?" Ohne externen Input durch Hubs und Startup Kooperationen bleibe man in der eigenen Bubble gefangen. Die frühe Kooperation mit Kern AI habe Markel einen "absoluten Mehrwert" geliefert, weil sie kein eigenes KI Team hatten.
Was sich in der Branche ändern muss
Auf die Frage, was er sofort ändern würde, nennt Parschik diese Punkte:
Brückenbauer statt Einzelkämpfer: "Woran ich fest glaube ist, dass die Versicherungsunternehmen in der Zukunft erfolgreich sein werden, die Brücken bauen." Statt alles für sich zu behalten, sollte die Branche gemeinschaftlich an Lösungen arbeiten, etwa bei Dienstleister Netzwerken. Das Problem: Sofort kommt die "Kartellkeule", obwohl andere Branchen mit viel weniger Wettbewerbern problemlos kooperieren.
Offenheit und Job Rotation: Statt eines festen Generationswechsels fordert Parschik mehr Offenheit für Neues, unabhängig vom Alter. Das Problem: "Je nachdem welche Zugehörigkeit ich habe, man wird für bestimmte Sachen alltagsblind." Ingolf Putzbach ergänzt die Idee der Job Rotation: Nach 20 Jahren im gleichen Job fehle die Fantasie für neue Lösungen. Alle drei Jahre die Ressorts neu verteilen könnte helfen.
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