Im Jahr 2009 hat die Fonds Finanz ein Quasi-MVP-System eingeführt. Das hat den Markt damals völlig auf den Kopf gestellt. BiPRO war bereits erfunden, aber die Notwendigkeit von Prozesseffizienz im Pool- und Massengeschäft habe ich erst durch das Projekt bei der Fonds Finanz wirklich verstanden. Und wenn die Digitalisierung den Maklermarkt damals schon verändert hat, so ändern sich die Spielregeln heute mit brutaler Beständigkeit.
In Hamburg sitzt der Deutsche Maklerverbund (DEMV), dort habe ich Karsten Allesch getroffen. Er hat das Unternehmen 2009 mitgegründet. Auf der DKM wurde damals darüber gesprochen, ob es wirklich noch einen weiteren Pool in Hamburg geben müsse. Aber der DEMV hatte ein etwas anderes Konzept, die Technik stand im Mittelpunkt.
Heute in 2023 gehört DEMV wie Fonds Finanz dem Investor HG-Finanz. Quasi nebenbei wurde das MVP-System Salia und dessen Entwickler übernommen. Das Vergleichergeschäft wird innerhalb der Gruppe von Softfair bereitgestellt, wodurch bei DEMV Kapazitäten für die Entwicklung von MVP-Funktionalitäten frei werden.
Meine Fragen zielen in eine Richtung: Wie wird sich der Maklermarkt entwickeln, wohin geht die Reise?
Henning Plagemann: Herr Allesch, Wie sehen Sie den Maklermarkt derzeit aus prozesstechnischer Sicht?
Karsten Allesch: Viele Makler nutzen MVP-Systeme, die Zeit der Karteikarten und Leitz-Ordner ist vorbei. Digitale Daten sind aber nur die Basis, der nächste notwendige Schritt ist die automatische Aktualisierung und Pflege der Daten, Folgeprozesse, z.B. bei einer Mahnung automatisch eine nette Mail an den Kunden schicken, ob sich die Bankverbindung geändert hat, als dezente Erinnerung an den Kunden. Diesen Schritt gehen nicht alle und ist ein Muss, um dauerhaft wettbewerbsfähig zu bleiben.
HP: Damit stehen wir gleich vor dem Kernproblem der Digitalisierung der Maklerprozesse. Auf die Digitalisierung muss die Automatisierung folgen...
KA: ...und dann greift die Skalierung! Der durchschnittliche Makler der Kategorie 50+ hat das noch nicht erkannt, für ihn ist Digitalisierung bereits erfüllt, wenn er die Maklerpost als PDF auf seinem Bildschirm betrachten kann. Im Regelfall leiten sich Folgeaufgaben aus der Korrespondenz des Versicherers ab. Bekomme ich beispielsweise eine Police, dann muss überprüft werden, ob es Abweichungen zum Antrag gibt. Zudem sollte der Kunde informiert werden, dass diese Prüfung stattgefunden hat, damit dieser den Versicherungsschein mit gutem Gewissen ablegen kann. Bei jüngeren Maklern ist die Automatisierung mittlerweile Standard, ebenso bei größeren Vertriebseinheiten, die mit Leads arbeiten. Diese bearbeiten teilweise hunderte Neukunden im Monat, ohne Automatisierung geht das nicht.
HP: Stichwort Alter: Nach dem Ende des Vertriebes MEG sah man deren Vertriebsmitarbeiter 1-2 Jahre auf der DKM, danach stieg das Durchschnittsalter gefühlt wieder an. Wo und wie erreicht man die neue Generation junger Makler?

„Man ruft die junge Generation nicht zu sich, sondern sie kommt zu einem.“
Karsten Allesch
Deutscher Maklerverbund
KA: Jüngere Makler gehen bei der Informationsbeschaffung ganz anders vor. Die gehen nicht auf Messen oder lesen die Branchenmedien. Diese suchen gezielt über Social Media oder Google nach Tools, welche die spezifischen Anforderungen für das eigene Unternehmen erfüllt. Dabei werden teilweise auch Tools miteinander kombiniert. Ein klassisches MVP wie Professional works soll dann beispielsweise mit einem Leadmanagement-Tool wie Zoho verbunden werden. Dafür müssen Sie als MVP-Anbieter dann die passenden APIs bereit stellen.
HP: Ist es sinnvoll, dass Anfänger solche exotischen Software-Tools verwenden?
KA: Das hängt stark davon ab, wie technisch versiert der Anwender ist. Unsere Philosophie ist es, dass wir die Kernprozesse für alle Maklerhäuser bis zur mittleren Größe innerhalb von Professional works umsetzen. Wir entwickeln dafür eine Standard-Lösung und werden nicht für jede größere Vertriebseinheit Spezial-Anforderungen entwickeln können.
HP: Was hindert uns in der Branche an der Entwicklung guter Maklerlösungen, die auch die jüngere Generation begeistern?
KA: Damit Software rentabel entwickelt werden kann, benötigen Sie möglichst viele Nutzer. Bei uns ist die Nutzerzahl im Maklermarkt auf ca. 46.000 registrierte Makler beschränkt, wenn wir davon absehen, dass unsere Software auch von Versicherern genutzt werden kann, um die eigene Ausschließlichkeit produktiver zu machen. Ist es beispielsweise sinnvoll, dass wir einen eigenen Mail-Client entwickeln, wenn Microsoft ein Produkt wie Outlook für mehrere hundert Millionen Nutzer entwickelt? Wichtig ist es, dass wir unsere hochspezialisierte Software mit relevanten Tools des Massenmarktes so kombinieren, dass Nutzern ein medienbruchfreies arbeiten ermöglicht wird.
HP: Meine Lieblingsfrage in diesem Zusammenhang bezieht sich wieder auf den Zusammenhang zwischen Digitalisierung und Alter: Was soll der Makler, der 50 Jahre und älter ist, tun?
KA: Meiner Erfahrung nach verfügt dieser Makler über einen treuen Kundenbestand und verfügt über ein solides, kontinuierliches Einkommen aus der Bestandspflege. Das reduziert leider den Druck sich im Unternehmen auf Prozesse und Automatisierung zu konzentrieren, denn es läuft ja alles. Viele dieser Makler arbeiten zudem eher reaktiv, also wenn ein Kunde sich beispielsweise aufgrund einer Beitragsanpassung in der Kfz oder Wohngebäudeversicherung an diesen wendet. Ein solcher Makler sollte über den eigenen Tellerrand hinausschauen und sich mit automatisiert arbeitenden Maklerhäusern vergleichen. Wenn erstmal das Bewusstsein vorhanden ist, was heute bereits alles möglich ist, nehmen viele Makler das Zepter in die Hand. Aber das setzt immer das "wollen" voraus…
HP: Ist diese Zielgruppe der Makler für die Digitalisierung nicht mehr erreichbar?
KA: Das stimmt so pauschal nicht. Es gibt Makler 50+, die prozessual top aufgestellt sind, natürlich tun sich die Jüngeren in digitalen Fragen deutlich leichter, sie handeln einfach intuitiver bei diesen Dingen. Wichtig ist, dass Makler bei der Automatisierung eng begleitet werden, denn diese machen das zum ersten Mal. Es muss ein einfacher Weg aufgezeigt werden. Dieser kann so aussehen, dass der Makler alle bestehenden Direktvereinbarungen in (unserem) MVP so hinterlegt, dass der Versicherer automatisch alle Kunden-, Vertragsdaten und Dokumente importiert und stets aktuell hält. Gleiches geschieht mit der Poolanbindung, was bei uns mit der Poolanbindung von Fonds Finanz besonders gut funktioniert. Nach unserer Erfahrung ist für 99 % der Makler dieser Weg völlig zielführend und das bisherige manuell befüllte MVP oder ggf. noch Papierakten, werden für eine Übergangsfrist aufbewahrt. In den wenigen Fällen im Jahr, in denen man länger zurück liegende Infos benötigt, wird dann im Altsystem nachgeschaut. Das ist sehr einfach und wer das für sich ablehnt, ist gedanklich wohl schon eher im Run-off.
HP: Hartes Urteil.
KA: Nein, das ist reine Erfahrung. Die meisten Makler haben ein MVP, betreiben es aber mit einem absurden Aufwand. Viele beschäftigen eine Halbtagskraft, die sich um die Datenpflege kümmert.
HP: Wie erklären Sie den Maklern die Automatisierung?
KA: Bei uns bekommen Makler ein mehrwöchiges Onboarding, wir lassen sie mit der Digitalisierung nicht alleine und vereinbaren feste Folgetermine. Das sind ca. 2 Stunden pro Woche, im Wesentlichen ein Kampf gegen eine mentale Barriere, also gegen jahrelange Gewohnheiten. Der Makler braucht einen Ansprechpartner für konkrete Fragen, wer will schon stundenlang Schulungsvideos schauen, um die Technik zu beherrschen. Unser Motto lautet: Hilfe zur Selbsthilfe. Sobald wir dann feststellen, dass der Makler alle im Tagesgeschäft benötigten Tools sicher einsetzen kann, stellen wir auf reaktive Betreuung um.
HP: Verlassen wir das Thema MVP und Prozesse, werfen wir einen Blick auf den Markt und reden wir Klartext. Die Veränderungen im Maklermarkt haben uns alle in den letzten Monaten schwindlig gemacht. DEMV ist jetzt im Team Fonds Finanz, ein paar Kilometer nördlich von hier sitzt blau direkt. Dort hat Lars Drückhammer die Makler-Union gegründet, die die Entwicklung des neuen Vergleichsrechners comparit finanziert. In der BiPRO treibt er aktiv den Aufbau des BiPRO-Hubs voran und hat nebenbei zeitsprung gekauft. Wie ist das alles einzuordnen?
KA: (lacht) Viele Themen und ja, der Markt ist sehr spannend und ich bin mir auch nicht sicher was noch alles passieren wird. Wichtig bei einer Fusion ist, dass es am Ende einen Vorteil für den Makler gibt. DEMV und Fonds Finanz sind mittlerweile Schwestergesellschaften unter dem Dach einer gemeinsamen Holding. Gewinnabführungsverträge an die Holding führen dazu, dass wir den Makler bestmöglich und nach seinem Bedarf servicieren können. Früher musste sich der Makler entscheiden, ob er lieber Direktgeschäft oder Pooling betreibt. Das ist vorbei, wie auch das Bild auf dem Zeppelin der über die DKM geflogen ist verdeutlichen soll. Unser MVP-System ermöglicht es, dass die Bestände unabhängig davon, ob diese in der Direktvereinbarung oder beim Pool liegen automatisch verwaltet werden. Zudem kann pro Vertrag individuell aus den Vergleichsrechnern entschieden werden, ob der Antrag gepoolt oder per Direktvereinbarung eingereicht werden soll. Im Grund genommen bilden wir nun das technisch ab, was viele Makler in den letzten Jahren sich immer gewünscht haben, weil diese schon immer beide Vertriebswege bedienen.
HP: Wie aufwendig ist die Migration, von der Sie gesprochen haben?
KA: Der Makler muss für die Pooldaten der Fonds Finanz nur den Datenimport aktivieren, 10 Minuten warten und dann sind die Daten und Dokumente in unser System übertragen. Bei den Direktvereinbarungen muss die jeweilige Vermittlernummer hinterlegt und der Datenabruf bei den Versicherern beantragt werden. Die reine Arbeitszeit beträgt wenige Minuten - allerdings dauert es je nach Versicherer mehrere Wochen, bis die Daten aus der Direktanbindung dann auch übermittelt werden.
HP: Wir haben es bemerkt: In unserer jährlichen Maklerbefragung im Rahmen des dvb-Awards sind uns statistische Ausreißer bei den Nutzern des DEMV aufgefallen.
KA: Daran sind wir unschuldig, es liegt wohl an der Marketingkraft unseres Partners Fonds Finanz. Unser System ist nun deren bevorzugtes MVP-System und wird entsprechend vermarktet.
HP: Wie bewerten Sie die Übernahme von zeitsprung durch blau direkt? Welche Auswirkungen hat dies auf den Markt und wie sind die Datenschutz- und Sicherheitsbedenken der Marktteilnehmer zu bewerten?
KA: Datenschutz geht alle an. Niemand unterstellt ernsthaft, dass dort in den Datenstrom geschaut wird. Ich sehe da auch keinen Vorteil. Aber es ist natürlich denkbar, dass sich die Art und Weise, wie Dienstleistungen erbracht werden, in Zukunft ändert. Vielleicht werden dann einzelne Nutzer benachteiligt? Da ist vieles denkbar.
HP: Ist DEMV oder Fonds Finanz abhängig von zeitsprung-Services?
KA: Die Dienstleistungen werden von Fonds Finanz teilweise in Anspruch genommen, wir von der DEMV sind völlig unabhängig von Dritten. Ich will nicht ins Detail gehen, aber es gibt Notfallpläne. Nicht nur in unserer Gruppe.
HP: Wohin geht die Reise bzw. wo stehen wir? Wer ist derzeit technologisch führend auf dem Poolmarkt?
KA: Der Begriff "Technologieführer" ist wettbewerbsrechtlich nicht ganz unproblematisch. Es behauptet auch niemand, das beste MVP-System auf dem Markt zu haben. Wichtig ist das Gesamtpaket aus Technik, Deckungskonzepten, Service und Courtagen. Wir haben von 2009 bis 2022 insgesamt ca. 3.000 Maklerhäuser gewonnen. In 2023 haben wir bereits 1.650 Maklerhäuser gewonnen. Insofern halte ich unser Gesamtpaket für extrem wettbewerbsfähig.
HP: Ist die Makler-Union der Weisheit letzter Schluss?
KA: Lassen Sie es mich so sagen: Ein Pool, der in Zukunft überleben will, braucht etwas Besonderes. Das kann, muss aber aus heutiger Sicht keine Technik sein. Aber in 5-10 Jahren sind die nicht digitalen Makler raus aus dem Spiel, dann werden die Karten neu gemischt.
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