Der BiPRO-Hub aus persönlicher und unternehmerischer Sicht

Die bisherige Artikelserie zum BiPRO-Hub (Teil eins, zwei und drei) hat zum besseren Verständnis des Projektvorhabens beigetragen. In der letzten Woche fanden die "Pitches" statt, also die Präsentationen der Bewerber für die Umsetzung des Prototypen. Vor der für Dezember erwarteten finalen Entscheidung nutzte Michael Trosien am 11.11. die Gelegenheit, ein Interview mit Frank Dünnleder von der Fincon Reply zu führen. In der Vergangenheit haben sie im gleichen Unternehmen gearbeitet, daher duzen sich die beiden.

 

Michael Trosien: Es ist derzeit eine tiefe Spaltung innerhalb der Community spürbar, damit sind zum einen die Anbieter wie z.B. nepatec gemeint, die kürzlich auf der dvb-Veranstaltung eine massive Bedrohung ihres Geschäftsmodells durch den BIPRO-Hub beklagt haben. Aber auch von Seiten kleinerer/mittlerer Versicherer wurde Unmut laut, unter vorgehaltener Hand wird sogar von einer Austrittswelle gesprochen.
Frage dazu: Wie bewertest Du vor diesem Hintergrund das Kommunikationsverhalten der BiPRO? Kann und wird der Marktausschuss (MAUS) hier kommunikativ gegenüber Mitgliedern/Öffentlichkeit aktiv werden? Wenn ja, wie?

„Es gibt keinen Bruch in der Community.“

Frank Dünnleder
Fincon Reply GmbH

Frank Dünnleder: Es ist höchste Zeit, dass die Versicherungswirtschaft bei der Implementierung der BiPRO-Standards deutlich an Geschwindigkeit zulegt und somit die Automatisierung und Digitalisierung der Prozesse zwischen den Marktteilnehmern voranzutreiben. Der BiPRO-Hub als eine Initiative aus der Branche für die Branche ist meiner Ansicht nach daher gerade für die kleineren und mittleren Versicherer sowie deren Partner geradezu dazu prädestiniert, eine Chance zu bieten, auch künftig im Wettbewerb bestehen zu können, bevor möglicherweise Unternehmen von außerhalb der Versicherungswirtschaft hier die Standards setzen.

Natürlich ist es wichtig, rechtzeitig und umfassend zu kommunizieren. Aus eigener Erfahrung im eigenen Unternehmen weiß ich aber nur zu gut, dass man es dabei aber nie allen recht machen kann. Ursprünglich war seitens des Vereins ja auch geplant, früher zu informieren und die Termine waren bereits aufgesetzt. Dann stellte sich aber raus, dass es neben dem BiPRO-Hub eine weitere Initiativgruppe gab, die sehr ähnliche Ziele verfolgt. Es ist im Interesse der gesamten Branche, dass es hier zum Schulterschluss gekommen ist und man nun gemeinsame Wege geht, aber das hat aus meiner Sicht bedauerlicherweise länger gedauert als ich mir persönlich erhofft hatte.

Der MAUS ist hier kommunikativ bereits in Zusammenarbeit mit der Geschäftsstelle aktiv geworden. Z.B. ging die Initiative für die Podiumsdiskussion auf dem BiPRO-Tag auch vom MAUS aus. Auch bei den Beiträgen auf der DKM im Rahmen des BiPRO-Kongresses war der MAUS aktiv eingebunden. In Kürze wird auch ein FAQ zum Thema BiPRO-Hub veröffentlicht, was sicher kontinuierlich ergänzt werden muss. Weiterhin ist für Dezember eine Info-Veranstaltung geplant.

MT: Eine Aussage, nicht nur im dvb-Workshop, von Seiten der Consumer lautete: Es gibt bereits mehrere BiPRO-Hubs, z.B. von Zeitsprung. Auf die Frage nach dem Nutzen eines zusätzlichen BiPRO-Hubs wurde das Argument der Eigentumsverhältnisse genannt: Der neue BiPRO-Hub würde sich im Eigentum der BiPRO-Community befinden. Rechtfertigt das Ziel das hohe Investitionsvolumen (unabhängig von den tatsächlichen Investoren), welches aufgrund der breiten Anforderungen naturgemäß einem sehr hohen Projektrisiko, insbesondere hinsichtlich des Projektbudgets, unterliegt?
Ergänzend: Neben der Investition ist nach wie vor der oben beschriebene Bruch innerhalb der Community zu verzeichnen. Ist es das wert?

FD: Zunächst einmal sehe ich keinen Bruch in der Community, so wie Du ihn beschreibst. Ja, es stimmt, dass Geschäftsmodelle von einigen wenigen Dienstleistern vom BiPRO-Hub tangiert werden, das trifft übrigens auch auf mein Unternehmen, die Fincon Reply zu. Die Frage ist aber doch, was ist denn die Alternative? Wollen wir als Branche warten, bis z.B. eines der GAFA-Unternehmen eine kommerzielle Versicherungsplattform auf die Beine stellt? Ich persönlich habe dazu die Einstellung, dass sich Märkte und Rahmenbedingungen für Geschäftsmodelle nun mal im Zeitablauf ändern und ich mich als Unternehmer darauf einstellen muss.
Ob es die Investition wert ist, ist eine Frage, die die Investoren beantworten sollten. Da der Kreis der Investoren aber inzwischen weiter angewachsen ist und niemand Geld zu verschenken hat, kann man wohl davon ausgehen, dass die Investoren die Frage mit einem klaren JA beantworten würden. Im Übrigen werden keine finanziellen Mittel des Vereins für dieses Vorhaben verwendet.

MT: Auf dem BiPRO-Tag hast du von deinen zwei Herzen in deiner Brust gesprochen, neben dem BiPRO-Herzen natürlich auch das Unternehmer-Herz. Damit nimmt die Fincon in Abgrenzung zu vielen anderen Dienstleistern, die auch vom ersten Tag an den Normen mitentwickelt haben, eine besondere Position ein. Bei objektiver Betrachtung muss davon ausgegangen werden, dass durch den BiPRO-Hub Umsatzrückgänge bei Dienstleistungen und Toolverkäufen zu verzeichnen sind - denn gerade das wurde von den Initiatoren als Ziel des BiPRO-Hubs genannt und ist ein wesentlicher Grund für die Verärgerung einiger BiPRO-Mitglieder.
Frage: Geht die Fincon davon aus, diese Verluste durch den Gewinn der Ausschreibung zum BiPRO-Hub kompensieren zu können?

FD: Es ist doch grundsätzlich so, dass eine Standardisierung potenziell immer zu Umsatzverlusten führt bei Dienstleistern, die z.B. mit "Übersetzungsleistungen" (Mapping) oder der individuellen technischen Anbindung von Geschäftspartnern Geld verdienen. Also ist die BiPRO-Normierung aus dieser Perspektive für diese Dienstleister per se ein "Umsatz-Killer". Auch nach Einführung des BiPRO-Hub muss der BiPRO-Hub aber an die Partner angebunden werden, aber eben nur noch einmal und nicht n-mal. Unabhängig ob die Fincon Reply die Ausschreibung oder Teile der Ausschreibung gewinnt, bin ich als Unternehmer davon überzeugt, dass durch den BiPRO-Hub die Standardisierung weitere wichtige Impulse erhält und sich so auch neue Geschäftsfelder auftun werden. Dies gilt selbstverständlich auch für andere Dienstleister, die BiPRO-Know-how aufgebaut haben.

MT: War der MAUS in die Entscheidungsfindung zur Durchführung des PoC eingebunden? Wenn ja, von welchen Vorteilen sowohl für die Provider und Consumer wurde bei der Entscheidungsfindung ausgegangen? Sind diese quantifizierbar?

FD: Nein, der MAUS war nicht in die Entscheidungsfindung zur Durchführung des PoC eingebunden. Es war eine Initiative von Unternehmen aus der BiPRO-Community.

MT: Die Statuten des BiPRO e.V. haben zu Beginn vorgesehen, keine eigenen Dienstleistungen und Services anzubieten. Dieses ist seit Beschluss des BiPRO-Hubs obsolet und führte zu einem Bruch innerhalb der BiPRO-Community. 
Frage: Wann wurde diese Änderung beschlossen und wurden den Mitgliedern die Auswirkungen offen kommuniziert?

FD: Die Frage verstehe ich nicht, denn m.E. haben die Statuten der BiPRO nie ausgesagt, dass der Verein keine Dienstleistungen anbietet und dies ja u.a. seit der Einführung der BiPRO-Akademie auch schon jahrelang macht.
BiPRO steht für Prozesse, Normen und Community. Der Zweck des Vereins ist es, die Verbreitung der Normen zu fördern und entsprechende Maßnahmen zu treffen. Die Eignung und Zweckmäßigkeit dieser Maßnahmen sollte sinnvollerweise immer wieder überprüft und ggf. angepasst werden.
Die Gründung der Service GmbH als 100%ige-Tochter des Vereins wurde seinerzeit u.a. im Rahmen einer der Mitgliederversammlungen ausführlich vorgestellt. Dort wurde auch erläutert, dass es Ziel ist, die Standardisierung über die Möglichkeit von koordinierenden Leistungen der GmbH künftig noch attraktiver zu gestalten. Der BiPRO-Hub passt da m.E. zu 100% in diese Zielsetzung. Auch die in der DNA des Vereins verankerten Ziele, Optimierung über verbesserte Prozesse zu betreiben und dadurch auch den Wettbewerb in der Branche zu erhalten, sehe ich durch den Hub klar adressiert.

MT: Nach aktuellem Kenntnisstand können die Provider in der späteren Ausprägung des BiPRO-Hubs ihre Services auch in proprietärer Form anliefern und müssen dafür nicht zwingend BiPRO-Normen verwenden.
Frage: Werden die BiPRO-Normen dann in der heutigen Ausprägung überhaupt noch benötigt?

FD: Selbstverständlich werden die BiPRO-Normen weiterhin benötigt und hier liegt möglicherweise ein Missverständnis vor. Der BiPRO-Hub basiert ganz klar auf BiPRO-Normen. Lediglich beim TAA-Stack könnte es für Provider Stand heute übergangsweise erlaubt sein, auch andere Formate als BiPRO anzuliefern, da es noch dauern wird, bis alle Provider hier RNext bereitstellen können, denn die RNext-Norm für TAA Leben - Fondsgebundene RV wird ja aktuell erst noch entwickelt.

„Es gibt bereits mehrere BiPRO-Hubs, z.B. von Zeitsprung.“

Michael Trosien
BiPROWerft

MT: Ein Argument in der Podiumsdiskussion auf dem BiPRO-Tag lautete, dass die Community z.B. die Hoheit über ihre Datenstrukturen vor ausländischen Tech-Konzernen schützen soll. Jetzt haben ausländische Unternehmen bei blaudirekt als Initiator und der Fincon als Bewerber zum Hub nicht unerheblichen Einfluss übernommen.
Frage: Hat dieses Argument innerhalb der Initiatoren weiterhin Bestand? Wie steht der MAUS dazu?

FD: Mein Unternehmen, die Fincon Reply, gehört nicht zum Initiatorenkreis, so dass ich diese Frage nur aus meiner persönlichen Perspektive beantworten kann. Der BiPRO-Hub wird von der BiPRO-Service GmbH betrieben werden, einer 100%-igen Tochter des Vereins und damit komplett in den Händen der BiPRO-Mitglieder. Dass ausländische Unternehmen bei Fincon und bei blaudirekt Gesellschafter geworden sind, ist somit für mich komplett irrelevant, genauso wie die Tatsache, dass es auch viele weitere BiPRO-Mitglieder gibt, die teilweise oder vollständig ausländischen Gesellschaftern gehören. Wichtig ist m.E. nur, dass die BiPRO-Service GmbH neutral ist und nicht von einem Unternehmen dominiert werden kann und das ist aufgrund des Vereins als 100%-igen Eigentümer sichergestellt. Hier besitzt der BiPRO-Hub einen klaren USP, welcher unserer Branche zu Gute kommen wird.

MT: Vielen Dank für das Gespräch.

 

Nach dem spannenden Auswahlverfahren und der für Dezember zu erwartenden Entscheidung werden wir mit einigen Experten einen genauen Blick auf die geplante Umsetzung der technischen Lösung werfen.