VEMA setzt auf ein Plattform-Hybrid-Modell und unterstützt sowohl die eigenständige Nutzung als auch die Integration mit bestehenden MVP-Systemen.
Thomas Hirsch
VEMA eG
Nicht nur Fusionen und Übernahmen beherrschen den Maklermarkt, auch das digitale Maklerbüro und die Automatisierung von Maklerprozessen sind zu einem alltäglichen Thema geworden. Maklerpools bezeichnen sich mittlerweile als Infrastrukturdienstleister und mit FIDA ist der nächste Brandbeschleuniger in Sachen Datenaustausch in den Händen des Gesetzgebers.
Was macht eigentlich die VEMA in diesem Umfeld? Ein MVP-Hersteller hat mir auf der DKM zugeflüstert, dass er in Kürze die Ankündigung eines neuen MVP-Systems aus Heinersreuth erwartet. Von einem Versicherer hörte ich großes Lob für das aktuelle VEMA-Projekt zur Sammlung und Aufbereitung von Versichererdaten für Makler, das könne ein großes Ding werden.
Thomas Hirsch ist seit 1.6. dieses Jahres IT-Vorstand der VEMA und damit der perfekte Ansprechpartner für diese Fragen: Wie unterstützt die VEMA das digitale Maklerbüro, was steckt hinter dem Datenerfassungsprojekt und wird es ein eigenes MVP-System geben?
Kurzvorstellung: Thomas Hirsch ist Diplom-Informatiker und kam vor 11 Jahren als Softwareentwickler zur VEMA, seine erste Berührung mit Versicherungsdaten. Gemessen an seinen IT-Vorerfahrungen aus einem Jahrzehnt in der Industrie sind ihm die Datenstrukturen unserer Branche nicht als besonders kompliziert aufgefallen. Das ist sein Fazit nach Projekten in den Bereichen Tarifierung, Angebot und Antrag sowie Postkorbfunktionen, die ihn mit den datentechnischen Herausforderungen eines Pools vertraut gemacht haben.
Henning Plagemann: Die erste Frage an einen IT-Vorstand der VEMA kann nur lauten: Wie sehen die Planungen für ein MVP-System aus, ist eines in der Entwicklung oder gibt es gar Kaufabsichten für ein bestehendes System?
Thomas Hirsch: Weder noch. In der Gründungszeit der VEMA gab es Bestrebungen, ein eigenes MVP-System zu bauen. Aber das ist Vergangenheit und nicht mehr unsere Strategie. Wir bieten den Maklern heute mit unserem Portal "VEMAOffice" als Teil des Extranets Servicefunktionen an, die als Ergänzung zum MVP-System des Maklers zu sehen sind. Wir erweitern den Funktionsumfang kontinuierlich und bilden auch Automatisierungsprozesse für das digitale Maklerbüro ab. Einigen Maklern reicht der Funktionsumfang für ihre tägliche Arbeit aus und sie verzichten auf ein zusätzliches MVP-System - so kann es durchaus sein, dass sie das "VEMAOffice" als ihr MVP bezeichnen. Es handelt sich um eine Hybridlösung, die das bestehende MVP-System ergänzt.
HP: Also eine klare Absage an ein eigenes MVP-System. Oder ist das nur eine Frage der Terminologie? Wenn das VEMA-Portal immer mehr Funktionen bekommt, wie unterscheidet es sich dann noch von einem MVP-System?
TH: Makler, die ein vollwertiges MVP-System wie z.B. ein AMS 5 voll ausgeschöpft haben, werden wir mit den Funktionalitäten unseres Portals nicht zufriedenstellen können. Natürlich bieten wir auch Automatisierungen für schlanke Verwaltungsprozesse, Prozesssteuerung - aber hier geben wir die Prozessabläufe vor. Wir streben die Unterstützung von Online-Prozessen an, z.B. Office365. Aber es wird keine Desktop-Anwendung auf dem PC des Maklers geben. Da grenzen wir uns bewusst und klar von einem MVP-System ab, weil wir diese Art von Entwicklung nicht betreiben wollen. Da muss jeder Makler für sich prüfen, ob das mit seinen Arbeitsabläufen kompatibel ist.
HP: Ein Versicherer hat mich auf das VEMA-Projekt zur Datenerfassung und -aufbereitung angesprochen, das hat mich natürlich neugierig gemacht. Was macht die VEMA da?
TH: Wir haben für unsere tägliche Arbeit eine Datensammelstrecke für BiPRO- und GDV-Daten eingerichtet und führen auch das Datenclearing durch. Die aufbereiteten Daten stehen den Maklern für die Arbeit im "VEMAOffice" sowie zum Download zur Verfügung. Dies gilt nicht nur für VEMA-Verträge, der Makler kann auch seine Direktverbindungen zu den Versicherern über diese Strecke laufen lassen. Er kann also sein MVP-System mit den von uns bereitgestellten Datenpaketen füttern.
HP: Wenn der Makler auf "VEMAOffice" setzt, wie kann er dann die Datenqualität für seine Verwaltungstätigkeit nutzen?
TH: Innerhalb von VEMAOffice stehen dem Makler alle Daten und Dokumente der Versicherer für die Bestands- und Akquisitionsarbeit zur Verfügung. Wenn er die Daten bei sich vor Ort nutzen möchte, profitiert er auch von den bereinigten Daten: Wir lösen Zuordnungsprobleme zwischen Kunde und Vertrag, harmonisieren Schreibweisen in der Vertragsnummer und beheben die uns bekannten Standardfehler.
HP: Sie wollen die Makler entlasten, indem sie den Zugang zu den Versicherern vereinfachen. Welche Dienstleistung steckt genau dahinter?
TH: Barrierefreie Vernetzung ist das Stichwort. Makler haben bis zu 60 Anbindungen an Versicherer, was neben der Authentifizierung auch die Pflege von Mitarbeiterdaten und Berechtigungen erfordert. Hier bieten wir als Auftragsverarbeiter in Zusammenarbeit mit den Versicherern den Maklern einen ganz neuen Service an, der das Leben im technischen Verwaltungsalltag erleichtert. Durch die Integration in das VEMA-Portal entfällt die individuelle Anmeldung bei verschiedenen Versicherer-Portalen, was die Benutzerfreundlichkeit und Effizienz erhöht. Alle Informationen werden an einer Stelle verwaltet und alle Zugänge zu den Gesellschaften automatisch aktualisiert. Und das gilt bereits für sehr viele Versicherer, die bereits an der barrierefreien Vernetzung teilnehmen.
HP: Jüngere Makler sind in der Regel auf bestimmte Zielgruppen spezialisiert, haben ihre Prozesse digital ausgerichtet und zeichnen sich durch eine hohe Vernetzungsbereitschaft aus. Was bedeutet dies für die VEMA als Genossenschaft?
TH: Die VEMA ist seit ihrer Gründung 1997 ein Startup der ersten Stunde, daher kommen wir auch mit der Generation X gut klar. Im Ernst: Ich bin überzeugt, dass wir mit dem Plattformgedanken ideal aufgestellt sind. Unsere Keimzelle war die Bereitstellung von Tarifen, die Erstellung von Angeboten und die Durchführung von Ausschreibungen. Auch die jüngeren Generationen sind Makler und keine IT-Beauftragten, sie wollen maßgeschneiderte Lösungen und keine allumfassenden Konzepte, und genau da setzt unsere Plattform an. Natürlich sind Aspekte wie die mobile Nutzung der Plattformen auf Tablets und Handys wichtig, die Oberflächen müssen ansprechend sein und auch dem Kunden präsentiert werden können. Das ist auch der Anspruch der jungen Generation von Softwareentwicklern, die wir an Bord haben und damit für die nächste Generation an Softwareanwendungen gut aufgestellt sind.
HP: Aktuell ist mit FIDA eine weitere Regulierung auf dem Weg, die Versicherer müssen den Kunden ihre Daten jederzeit zur Nutzung in eigenen Anwendungen zur Verfügung stellen. Wird das den Maklermarkt wesentlich verändern?
TH: In der reinen Informationsbeschaffung durch FIDA sehe ich keinen Game Changer. Aber die Idee von Open Insurance entspricht unserem Mindset, deshalb sind wir aktiv dabei und bringen uns auch in die Abstimmung der Schemes ein, um die Interessen der Makler zu vertreten. Deshalb sind wir auch bei der FRIDA-Initiative dabei, weil es mit den Use Cases interessante Ansätze gibt, an denen wir uns gerne beteiligen. Der Kunde muss später die Möglichkeit haben, nicht nur die Allianz oder Zurich, sondern auch seinen Makler als Partner zu hinterlegen, der dann im Datenaustausch berücksichtigt wird. An diesem Ziel arbeiten wir für die Makler mit.
HP: Diese Frage muss gestellt werden: Was passiert bei VEMA in Sachen künstliche Intelligenz?
TH: Natürlich haben wir KI-Projekte im Projektportfolio, es wird an einem Chatsystem gearbeitet und wir prüfen auch den Einsatz im Leistungsvergleich. Aber da stoßen wir schon auf die ersten Herausforderungen, um KI-Anwendungen wirklich intelligent im Sinne der Fachlichkeit zu machen. Der Vergleich von Leistungsvergleichen ist für unsere Makler wichtig, hier eignet sich der Einsatz einer generativen Lösung bisher nicht, denn da braucht es Kontextverständnis für die einzelnen Punkte. Die Systeme entwickeln sich jedoch in einer unglaublich rasanten Geschwindigkeit weiter und wir bleiben im Rahmen unserer Projekte am Ball. Im Bereich der Dokumentenbereitstellung setzen unsere Partnerlösungen unter anderem auch auf KI, aber man muss auch immer die Transaktionskosten berücksichtigen. Wenn bei fast 9 Millionen aktiven Verträgen alle 14 Tage ein Dokument mit Stückkosten von 10 Cent reinkommt, dann wird das teuer, vor allem wenn man unser Bestandswachstum betrachtet.
HP: Warum ist die VEMA bei den technischen Maklerprozessen so zurückhaltend in der Außenkommunikation?
TH: Unser Ziel war und ist es, als hochwertiger Versicherungspartner wahrgenommen zu werden. Technologie ist für uns Mittel zum Zweck.
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